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Der Votansberg





DER FUHRMANN

Auch einem Weinfuhrmann ist es Anno 1794 so ähnlich ergangen wie 265 Jahre vorher Lazarus Gitschner. Ein Zwerg hat ihn angehalten, seine Ladung, die für ganz jemand anderen bestimmt war. in den Berg zu fahren. Er brauchte es aber nicht zu bedauern, denn ihm wurde nicht nur vieles Künftige geoffenbart, sondern er erhielt auch noch 180 Dukaten, die sich nach Verbrauch stets auf wundersame Weise erneuerten.
Die Geschichte :
Eine wundersame Begegnung mit der unirdischen Welt des Untersberges hatte vor fast dreihundert Jahren einmal ein Fuhrmann. Sein Erlebnis wurde wie folgt in der »Bergheimat« beschrieben:
Im Jahre 1694 fuhr ein Fuhrmann mit einem mit Wein beladenen Wagen aus Tirol nach Hallein, um dort seine Ladung zu verkaufen. Als er neben St.Leonhard bei der Almbrücke zu Niederalm (einem Dorf nächst dem Untersberg) fuhr, ging ein Bergmännlein aus dem Untersberg hervor und fragte den Fuhrmann, woher er komme und was er da führe. Auf die Antwort des Fuhrmannes sprach das Bergmännlein:
»Fahre mit mir, ich will dir gute Münze dafür geben, und zwar noch mehr, als du in Hallein dafür bekommen wirst.«
Der Fuhrmann aber wollte dies nicht tun, sondern erwiderte, daß er den Wein jenem Herrn zuführen müsse, der ihn bestellt habe. Da nun das Bergmännlein wahrnahm, daß der Fuhrmann nicht mitfahren wollte, faßte es plötzlich die Pferde an den Mähnen und sagte:
»Fuhrmann! weil du nicht mitfahren willst, so sollst du nicht wissen, wo du bist; ich will dich so führen, daß du dich nicht mehr auskennen sollst.«
Der Fuhrmann war voller Ängsten und wußte sich nicht zu raten und zu helfen; doch besann er sich und hielt es für besser, einer zweifelhaften Sache nachzugehen, als alles zu verlieren. Er ging deswegen mit dem Männlein und dieses führte die Pferde fleißig beim Zaume gegen den Wunderberg zu. Als sie näher dem Berg kamen, schien es dem Fuhrmann, als führen sie auf einer ganz neu angelegten Straße, und als sie an dem Berge waren, überfiel ihn der Schlaf. Beim Erwachen sah er ein großes prächtiges Schloß, welches aus rotem und weißem Marmor sehr hoch erbaut und mit Fenstern aus Kristall versehen war, in dessen Mitte ein vortrefflich mit Kupfer gedeckter hoher Turm stand. Außerhalb des Schlosses war eine 30 Klafter hohe und 10 Klafter dicke Mauer und ringsherum ein zwanzig und etliche Klafter tiefer Graben. Das Schloß selbst stand auf einem behauenen und glatt abgeputzten Felsen. Bevor man zu dem Schlosse kommen konnte, mußte man über sieben Aufzugsbrücken und durch mehrere Tore und Schlußgitter. In dieses Schloß mußte nun der Fuhrmann hineinfahren.
Sobald ihn aber ein Diener, der eben von einem Fenster des Schlosses herabsah, erblickt hatte, sagte er es sogleich mehreren anderen im Schlosse, welche zu den Fenstern liefen und den Fuhrmann freudig winkend begrüßten. Es waren lauter Bergmännlein. Einige von ihnen kamen vor das Schloß heraus, an der Spitze der Kellermeister, der ein etwas stärkeres Männlein war, mit vielen Schlüsseln und großen Taschen versehen. Sein Bart reichte bis über seinen dicken Bauch hinab und auch seine Haare bis über die Mitte seines Leibes.
»Willkommen, mein lieber Fuhrmann!« sprach der Kellermeister, »sei nicht traurig und fürchte dich nicht, ich werde dir zu essen und zu trinken geben, was dir gefallen wird.«
Aber ungeachtet er dem Fuhrmann die besten Worte gab, so zitterte derselbe doch wie Espenlaub an allen Gliedern vor Angst und Bangigkeit. Nachdem sie in der Mitte des Hofes angekommen waren, erschienen eilends einige Bergmännlein, welche die Pferde ausspannten und sie in den Stall führten, um sie zu füttern; andere aber führten den Fuhrmann in den unteren Teil des Schlosses in ein lichtes Gemach, gaben ihm zu essen und zu trinken, soviel er nur genießen konnte, und zwar alles in feinen und sehr wohlgeputzten zinnernen Geschirren. Dem Fuhrmann aber war immer nicht gut zu Mute, weil er nicht wußte, was für einen Ausgang dieses wunderbare Ereignis für ihn und seinen Wein nehmen werde.
Als er genug gegessen und getrunken hatte, luden sie ihn ein, das Schloß zu besichtigen. Der Fuhrmann wäre zwar lieber an seinem Ort geblieben, um auf seine Pferde zu schauen; weil er sich aber nicht zu weigern getraute, so ging er mit ihnen. Er wurde über eine Stiege mit 35 messingenen Stufen in einen mit schönen Tapeten bedeckten Saal geführt, in welchem 20 Schuh hohe und 7 Schuhe breite, aber nicht verglaste Fenster waren; darauf in einen prachtvolleren zweiten, welcher mit kostbarem Marmor gepflastert war, dessen Seitenwände wie den Tafelboden klares Gold bedeckte und welcher Fenster von reinstem Kristall hatte. In der Mitte des Saales standen vier 18 Schuh hohe, aus Metall gegossene und fein ausgearbeitete Riesen, welche mit großen goldenen Ketten gefesselt waren. Oben in der Mitte des Tafelbodens befand sich ein zierlich geformtes Bergmännlein mit einer goldenen Krone, welches die Riesen gleichsam geschlossen hielt. Da nun der Fuhrmann diese vier Riesen eine Zeitlang betrachtet hatte, sagte das Bergmännlein zu ihm:
»Fuhrmann! Verstehst du nicht, was diese Riesen samt dem Bergmännlein mit der Krone für die künftigen Zeiten bedeuten wollen?«
Der Fuhrmann sagte: »Ich weiß es nicht«, und das Bergmännlein meldete davon kein Wort.
Ringsum im Saal hingen Kürasse, Harnische, Pickelhauben, Schwerter, unbekannte Geschosse usw., alles mit Gold reich verziert. In diesem Saal stand auch ein Tisch, bei welchem der Fuhrmann aber nicht unterscheiden konnte, ob sie von Holz, Stein oder einer anderen Materie wären, doch sah er, daß sie allenthalben mit Gold und Edelstein kostbar verziert waren. Aus diesem Saal führten sie den Fuhrmann in einen dritten, der nicht weniger prächtig und schön geziert war. Es standen in ihm überaus schöne Bettgestelle mit dem feinsten Golde geziert und oben auf den vier Ecken der Bettgestelle vier Kröpfe, bei welchen der Fuhrmann ebenfalls nicht erkennen konnte, von welcher Materie sie wären; an diesen Kröpfen hingen goldene Ketten.
Darauf wurde über eine Stiege hinunter in den wohlgebauten Keller gegangen, der mit Weinfässern so angefüllt war, daß man kein Ende ersehen konnte. Von diesem Keller mußte er mit ihnen in ein hohes Gewölbe, darinnen eine große Tafel stand. An diese setzte sich ein Bergmännlein, zog einen großen Beutel mit Geld heraus und gab dem Fuhrmann für den mitgebrachten und zugeführten Wein 180 Dutzend Dukaten, und zwar mit dem höflichsten Dank und mit den Worten:
»Hebe dein Geld auf und kaufe dir um dasselbe anderen Wein. Du wirst mit diesem Gelde deine Lebenszeit Handel treiben können und es wird dir alles glücklich gelingen!«
Hierauf spannten die Bergmännlein die Pferde wieder ein, machten mit einem rotblauen Steine das eine blinde Pferd sehend und gaben den Stein dem Fuhrmann, um andere blinde Pferde armer Bauern damit zu kurieren. Darauf kehrten alle ins Schloß zurück, aus welchem nur drei schwarzgekleidete Männlein, die grünsamtene Kaskets mit roten Federn auf dem Kopfe trugen, traten und zum Fuhrmann sagten:
»Du hast wohlgetan, daß du den Wein, den du mit dir geführt, hier zu verkaufen gegeben hast. Ermahne auch deinen Bruder, daß er verkaufe, womit ihn Gott zum Überflusse gesegnet hat.«
Sie begleiteten ihn dann eine ziemliche Strecke Weges und sagten ihm zuletzt: »Da man anfangen wird, weiße und rote Hütlein zu tragen, wird die Not allerorten ihren Anfang nehmen und der Segen Gottes sich wenden nach dem Leben der Menschen.«
Voll Erstaunen und Verwunderung über das Gesehene und Gehörte fuhr der Fuhrmann in Frieden weiter und sah sich plötzlich wieder an dem Orte, an welchem er zuerst mit dem Bergmännlein zusammengetroffen war, ohne daß er wußte, wie er aus dem Berg gekommen. Die 180 Dutzend Dukaten verminderten und vermehrten sich bei seinem glücklichen Weinhandel nicht mehr. Er ermahnte oft seine Freunde und Bekannten zur Mitteilung von ihrem Überflusse an Arme, führte einen nachdenkenden und gottesfürchtigen Lebenswandel, und entdeckte das Gesehene nach dem Befehl des Bergmännchens erst bei seinem herannahenden Tode.



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