Der Votansberg
DIE RIESEN UND DIE WILDEN FRAUEN IM UNTERSBERGE
Auf dem Walserfeld bei Salzburg stehend, ein uralter Birnbaum, ganz dürr und abgestorben seit langer
Zeit, und ist schon zum öftern gar umgehauen worden, aber durch die Kraft des Allmächtigen wurde
die Wurzel behütet und trieb wieder aus, daß der Baum emporwuchs. Von diesem Baume geht nun eine
alte Weissagung, daß er dereinst wieder beginnen werde zu blühen und Frucht zu tragen. Wann
aber dieses sich ereignet, dann wird der verzauberte Kaiser mit all seinen Wappnern
hervortreten aus dem Schoße des Untersberges, und es wird eine große und erschreckliche
Schlacht des Glaubens halber geschlagen werden. Dieses geschieht aus göttlichem Verhängnis,
weil kein Mensch mehr dem andern brüderliche Liebe erzeigen will. Wann der Baum beginnt zu
grünen, wird diese Zeit der Not nahe sein, wann er aber anfangen wird Früchte zu tragen,
wird sich die Schlacht anheben, und der Fürst des Bayernlandes wird an den Birnbaum
seinen Schild aufhängen. Auf dem Felde wird den Streitern das Blut rinnen bis an die
Knöchel und in die Schuhe, und die Vornehmen werden wünschen, insgesamt auf einem Sattel
davonreiten zu können. Nur die guten Menschen werden von den Riesen des Untersberges
geschützt und gerettet, die bösen aber alle erschlagen werden. So schrecklich soll
die Schlacht sein, daß sie alles Volk zerstören wird.
Die Sage erzählt, daß ein Fürstensohn hinaufging gen Abend zum Fuß des Untersberges.
Und wie mit der Nacht sich das Schlachtgetümmel erhebt, tritt dem Weiterschreitenden ein
graubärtiger Herold entgegen und winkt ihm zu folgen und führt ihn in die Tiefe des
Wunderberges, immer tiefer, bis es sargeseng wird. Da greift der greise Führer in
die Felsen, und es öffnet sich ein weiter Thronsaal mit herrlichen Säulen und hellem
Glanze. Und in ihm zehntausend Ritter und hunderttausend Lanzenknechte, zum Kampfe
gerüstet. An einem runden Tische aber von Marmorstein inmitten des Saales saß der
Kaiser im Reichsschmuck, mit lichtweißem Barte, der, mit Perlen durchflochten, um
den Tisch in langen Silberwogen wallte. Um ihn her aber die sieben Kurfürsten des Reichs.
Da tritt des Kaisers Tochter lebenswarm in die versteinerte Welt, geht zu dem Tische
und mißt des kaiserlichen Vaters langen Bart; der aber reicht erst zweimal um
den Tisch, und der dritte Gang fehlt. Da erstarrt auch sie vor Schmerz, und mit
dem Mitternachtsschlage ist alles erloschen und versunken. Der Herold aber
spricht zu dem Fürstensohne, der des Kaisers Tochter hatte umarmen wollen:
Mit ihm und ihr du hast geschaut,
Sind ein versteinertes Jahrtausend,
Das täglich auf ins Leben taut,
Um täglich wieder zu erstarren;
Und so muß Kaiser, Kind und Herr
So lange der Erlösung harren,
Bis um die Tafelrunde her
Des Kaiserbartes Silberwogen
Die Tochter dreimal hat gezogen.
Und wenn der Bart so groß geworden,
Ach, ist das große Volk so klein!
Und selber wird es sich ermorden,
Und Treu und Glauben nicht mehr sein.
Dann kommt ein Fürst aus deinem Stamme
Zum Berg und seinem Schauerraum,
Und hängt des Volkes Oriflamme,
Sein Schild an jenen morschen Baum,
Und wird er wieder Blüten tragen,
Dann wird die Rettungsschlacht geschlagen.
Da bricht aus unterird'schem Saale
Das Heer hervor aufs Walserfeld
Und kämpft und siegt. Zum zweiten Male
Erschafft das große Volk der Held.
Dann wird er Reich und Tochter geben,
Des Rüstung diese Perlen da
Die Tränen dieser Nacht umweben,
Die Tochter heißt Teutonia;
Der Prinz? Wer kann Antwort verlangen?
Wer sagen, wo er hingegangen?" -
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