Der Votansberg
DIE VERZAUBERTEN GOLDSCHÄTZE AUF DEM UNTERSBERG
Viele Sagen gehen in dieser Gegend von solchen Glücklichen, welche die Schätze und Schachten mit reichem Bergsegen am
Untersberg offen erblickt, auch wohl ein weniges davon erlangt haben, aber zum andern Male die Stellen nimmer wiederfanden.
In Salzburg saß ein Bürger und Gastgeber, mit Namen Hans Gruber, der war auch Holzmeister auf dem Untersberg, lebte schlecht
und recht, und schaute einst seinen Holzknechten zu auf einem besonders hübschen, grünen Plätzchen im Walde, nahe der Stelle,
wo man es die "steinerne Wand" nennt, allda er vorzüglich gern verweilte. Es war ein ganz heiterer Tag, der Holzmeister aß sein
Nachmittagsbrot und trank von einem klaren Brünnlein, das an jener lieblichen Stelle ausquoll. Mit einem Male sah Gruber an der
steinernen Wand eine zuvor nie bemerkte eiserne Türe offen, und es stand ein Mann dort, gestaltet wie ein Mönch, der redete ihn
an und sprach: "Hans, komm herein!" Er aber erschrak und antwortete: "Nein! Ich gehe nicht hinein, Herr! Ich fürchte mich!" Da
sprach der Mönch zum andern und zum dritten Male: Gehe herein, du darfst dich nicht fürchten!"
Der Mönch hatte eine güldne Kette am Arme und bot sie dem Hans Gruber mit den Worten dar: "Nimm diese Kette zu dir, so
hast du mit allen den Deinigen dein lebelang genug!" Doch der Holzmeister weigerte fortwährend und rief: "Ich gehe nicht hinein!
Schenke mir ein Glied deiner Kette!" - Da riß der Mönch drei Glieder ab, warf sie ihm zu, und Gruber fing sie mit dem Hute; der
Mönch aber rief: "Laß niemand diese drei Kettenglieder sehen, bis du sie drei Tage in deinem Hause behalten! Hättest du sie nicht
aufgefangen, so wärest du nicht mehr ledig geworden. Bete fleißig!"
Der Holzmeister warf einen scheuen Blick durch die Tür, da schien es, als erblicke er tief drinnen im Berge einen neuen Himmel
und eine neue Welt. Noch sprach der Mönch: "Behüt' dich Gott und sei fein demütig dein lebelang!", damit schlug er die eiserne
Tür zu, daß es im Berge einen mächtigen Hall gab. Die Gabe schob Gruber in seine Rocktasche und behielt sie drei Tage, dann
wog er's, da waren es drei und drei Viertel Pfund Gold. Als er nachmals seinen Knechten erzählt hatte, was ihm begegnet und was
er gesehen, ohne doch der Ringe zu erwähnen, suchten sie zum öftern mit ihm die eiserne Türe, fanden sie aber niemals, sondern
sahen nur die steinerne Wand.
Demselben Holzmeister soll es auch zu einer andern Zeit begegnet sein, als er sich einstmals auf dem Untersberge in seinen
Verrichtungen verspätete, daß er droben in einer Höhle seine Nachtruhe suchen mußte. Des andern Tages kam er an eine
Steinklippe, aus der ein glänzender, schwerer Goldsand herabrieselte. Er setzte ein Krüglein unter; und als es angefüllt war und er
damit hinwegging, sah er unweit des Orts eine Türe sich auftun, und es kam ihm natürlich vor, als sähe er in den Berg hinein und
darin eine besondere Welt mit ihrem eigenen Tage.
Das Krüglein behielt der Holzmeister, und es glückte ihm noch oft, es gefüllt nach Hause zu tragen, und der Sand warf so viel Geld
ab, daß Gruber nie Mangel litt. Aber jene Türe hat er nur einen Augenblick offen gesehen und niemals wieder, und als sie zugetan
ward, tat es in dem Berge einen Hall wie in einem großen Weinfaß.
Nach seinem Tode war kein Segen mehr bei dem von ihm hinterlassenen Golde.
Im Jahre 1553 ging eine Kräutersammlerin von Salzburg auf den Untersberg. Als sie auf demselben herumging, kam sie auch an
eine Steinwand. Da lagen Brocken, grau und schwarz, wie Kohlen. Sie hob etliche davon auf, steckte sie zu sich und fand, als sie
nach Hause gekommen war, zu ihrer großen Freude, daß klares Gold in den Brocken enthalten war. Alsobald machte sie sich
wieder hinauf auf den Berg, um ein mehreres von solchen Brocken zu holen; allein, sie konnte alles Suchens ungeachtet den Ort
nicht mehr finden.
Weiter, so ging im Jahre 1753 Paul Meyer, beim Hofwirt zu Sankt Zeno in Dienst stehend, auf den nahen Untersberg, und als er
unweit des Brunnentals fast die halbe Höhe des Berges erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Goldsand
lag. Aus Fürwitz nahm er diesen mit sich und füllte alle seine Taschen damit an. Mit Freuden wollte er nach Hause gehen, als
plötzlich ein fremder Mann vor seinem Angesichte stand und zu ihm sprach: "Was trägst du da?" Furcht und Schrecken überfielen
Paul Meyer, so daß er nicht zu reden vermochte und stumm vor dem Fremden stehen blieb. Dieser ergriff ihn und leerte ihm alle
Taschen aus, wobei er ihm diese Worte zu vernehmen gab: "Jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen andern, und
sofern du dich hier wieder wirst sehen lassen, wirst du nicht mehr ledig davonkommen!"
Den guten Dienstknecht reizte aber das Gold, und er beschloß, der drohenden Warnung ungeachtet, den Goldsand noch einmal zu
suchen. Er nahm daher zu anderer Zeit eine tüchtige Wehr und auch noch einen gut bewaffneten Kameraden mit, aber wie sie auch
auf dem Berge umherirrten und den Ort wieder suchten, es war alles vergebens, und sie konnten ihn nimmermehr wiederfinden.
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